Der unruhige Schweif …und der feste Rücken
Galoppieren im leichten Sitz und loben machen den Rücken locker und bringen dem Pferd Entspannung 🙂
Vor einiger Zeit sagte mir ein in seinen Augen absoluter Fachmann mit voller Überzeugung: „Wenn Pferde mit dem Schweif schlagen, hat das nichts damit zu tun, dass sie verspannt sind! Es liegt an der Zucht!“
„Na bravo!“, habe ich gedacht, „so weit sind wir also schon gekommen! Die nicht wenig verbreitete Unfähigkeit, sein Pferd zur Losgelassenheit zu bringen liegt an der Zucht…. An der Zucht von Pferden, die so rittig und leistungsbereit geworden sind wie nie zuvor…. Die wir aber aufgrund ihrer hohen Qualität scheinbar nicht wirklich bedienen können.
Wie war das noch? Wenn der Bauer nicht schwimmen kann, dann liegt das an der Badehose?
Da aber „Losgelassenheit langweilig und unsportlich“ ist, wie das ein international anerkannter Spezialist in einem Interview schon in 2009 äußerte, kann man ja auch nicht erwarten, dass der unruhige und pinselnde Schweif nicht am Pferd liegt.
Ist man jedoch ehrlich zu sich selbst und beginnt, seine eigene Reiterei kritisch zu hinterfragen, grundlegende und unumstößliche biomechanische Grundlagen einfach als gegeben akzeptiert, dann steht der unruhige Schweif und der damit verbundene feste Rücken stellvertretend für ein verspanntes Pferd. Der Schweif ist die Verlängerung des Rückens. Ist der Rücken verspannt, schlägt das Pferd mit dem Schweif. Ein Pferd kann sein Unwohlsein unter dem Reiter im ersten Schritt nur darüber ausdrücken. Es ist ein deutlicher Hinweis, dass durch fehlerhafte Einwirkung, fehlerhaft ausgeführte Lektionen, zu hohen Anforderungen, vielleicht auch ein unpassender Sattel oder Schmerzen Verspannungen entstanden sind.
Da heute allerdings die meisten Pferde nachhaltig mit dem Schweif schlagen, hat man sich vermutlich so daran gewöhnt, dass kaum einer mehr darüber nachdenkt, dass die Pferde offensichtlich (ziemlich) verkrampft sind.
Das richtige Lösen ist die Basis für die Losgelassenheit und verhindert, dass Pferd mit dem Schweif schlagen!
Eine der wichtigsten Lektionen, um ein Pferd zu ehrlicher Losgelassenheit zu bringen ist das Zügel aus der Hand kauen lassen!
Am Anfang eines jeden Reitens steht das Lösen. Das erreicht man über einen systematischen Trainingsaufbau. Lösen und loslassen gehören zusammen. Erst wenn sich das Pferd gelöst hat, dass der Rücken zum Schwingen kommt, die korrekte Anlehnung erreicht ist, der Schweif entspannt hin und her pendelt, dann ist das Pferd losgelassen und man kann je nach Ausbildungsstand an Versammlung denken. Ganz so, wie es Richard Wätjen formuliert: „Nur was sich loslässt, lässt sich versammeln.“
Heute wird es allerdings allzu oft genau anders herum gehandhabt:
- Wie oft werden versammelnde Lektionen geritten, obwohl es mehr als offensichtlich ist, dass das Pferd nicht losgelassen ist.
- Reiter fangen mit der Versammlung an, aber es sind weder ausbildungstechnische noch muskuläre Grundlagen vorhanden, die eine korrekte Versammlung überhaupt möglich machen könnten. Man spricht aber schon mal von Piaffe und Passage.
- Man sieht Pferde, die pausenlos im versammelten Galopp mit dem Kopf nicken – und natürlich mit dem Schweif schlagen!
- Man sieht Pferde, die in der Trabverstärkung von Hand aufgerichtet werden, die Vorderbeine marionettenhaft nach oben reißen, die Hinterbeine durch den Sand ziehen – und natürlich mit dem Schweif schlagen!
- Man sieht aufwendige Traversalen, bei denen man überlegen muss, wie weit die Pferde mit ihren Beinen wohl noch ausgreifen sollen – und der Schweif schlägt nachhaltig.
- Man sieht verspannt gerittene Einerwechsel, die schon von weitem krampfig hüpfend aussehen und Pferde – die mit dem Schweif schlagen!
- Man beobachtet Piaffen, bei denen sich alles inklusive Kopf nach unten hinten ver-kriecht – und Pferde, die mit dem Schweif schlagen!
Woran das wohl alles liegt? Mit 100%iger Sicherheit nicht daran, dass diese Pferde losgelassen sind und den Rücken hergeben!
Da heute auch in der Ausbildung alles immer schneller gehen muss, die Pferde kaum mehr die Zeit für ihre Entwicklung haben, die sie eigentlich dringend brauchen, damit sich inklusive Muskeln alles so entwickeln kann, dass sie gesund bleiben, bleibt neben reeller Ausbildung auch die Losgelassenheit auf der Strecke.
Bei immer mehr Pferden ist der Rücken fest. Wie wird ein Pferd diese Verspanntheit im ersten Moment zeigen? Natürlich damit, dass der Schweif unruhig pinselt.
Das Pferd ist nicht ehrlich losgelassen! Es ist im Genick leicht verworfen, das Maul ist nicht geschlossen. Der Schweif zeigt die Spannung im Rücken. Es ist etwas weg gesstreckt.
„Wichtige grundlegende Übungen und Lektionen werden heute weggelassen oder sind nicht mehr bekannt“, so sagt Paul Stecken immer. Damit gehen scheinbar die Grundlagen verloren, die sich dadurch offenbaren, dass der Schweif als Ausdruck der innerer und äußerer Verspanntheit pinseln muss, statt ruhig und als Zeichen von innerer und äußerer Losgelassenheit pendeln zu können. Dabei gibt es so einfache Übungen, die jedes Trainings effizient gestalten und immer zur Losgelassenheit führen, wenn der Reiter alle zwei bis drei Tritte eine Halbe Parade gibt, die vermehrt am äußeren Zügel erfolgen muss und mit einem gefühlvollen Nachgeben der inneren Hand endet.
So geht es!
Während die Losgelassenheit beim jungen Pferd das Ziel einer Trainingseinheit ist, ist sie beim weiter gerittenen Pferd das Ergebnis der Lösungsphase und sollte innerhalb von 15-20 Minuten erreicht sein. Als Basis für die darauffolgende Versammlung dienen.
Diese Lösungsphase besteht immer aus Zügel aus der Hand kauen lassen. Aus Lektionen, die die Rippenbiegung verbessern (wie die große und die kleine Acht, Schlangenlinien durch die ganze Bahn in der früher üblichen S-Form, häufige Handwechsel), aus erstem Tritte und Sprünge verlängern und aus Schrittphasen, bei denen man den Zügel aus der Hand kauen lässt bis zur Schnalle. Wenn die Pferde dann in Schritt, Trab und Galopp entspannt abschnauben und der Rücken zum Schwinge kommt, kann die versammelnde Arbeit beginnen, der Reiter aussitzen und das Pferd den Rücken hergeben – aber erst dann!
Auch während des Trainings beim gut gerittenen Pferd kann es immer wieder Phasen geben, in denen es sich verspannt, kurzzeitig mit dem Schweif schlägt. Das kann durch eine hohe Anforderung kommen, durch neue und für das Pferd schwierige Lektionen entstehen, durch fehlerhafte Einwirkung des Reiters, durch Missverständnisse zwischen Reiter und Pferd oder durch Unsicherheit. Auch dann ist das Allheilmittel: Zügel aus der Hand kauen lassen. Denn es führt – korrekt ausgeführt – immer zur Losgelassenheit des Pferdes und damit zum ruhig pendelnden Schweif.
Da man mehr verspannt unruhige Schweife als entspannt pendelnde sieht, könnte man daraus schließen, dass die Dinge ziemlich einheitlich in die falsche Richtung laufen. Ob es sich dabei um Handfehler, Sitzfehler, Lektionenfehler oder im fortgeschrittenen Stadium um Schmerzen handelt. Mit dem Schweif fängt alles an. Der Rücken ist fest. Dann werden die Bewegungen unharmonisch und ruckartig, oftmals stellen sich erste Schmerzen ein.
Der Rücken ist das Bewegungszentrum des Pferdes. Bringen wir diesen nicht zum Schwingen, geht die Bewegung nicht von hinten nach vorne durch den Körper des Pferdes, es kann sich nicht loslassen. Da helfen dann auch keine spektakulären Bewegungen oder aufwendige Verstärkungen. Da helfen dann aber auch keine druchhängenden Zügel oder ein Reiten, bei dem die Vorwärtstendenz verloren geht.
Muskeln müssen immer unverkrampft an- und abspannen können, müssen sich dehnen und zusammenziehen wie eine Blasebalg, müssen immer mit ausreichend Sauerstoff versorgt sein und korrekt belastet werden, ohne überlastet zu sein. Dann pinselt auch kein Schweif und kein Rücken ist fest.
Deshalb sollte man es sich für sich selbst zum Grundsatz erheben:
„So wie nach jeder Versammlung eine Verstärkung erfolgen muss, muss nach jeder Aufrichtung ein Zügel aus der Hand kauen lassen kommen!“
Als ich das las, wurde mir bewusst, dass auch mir das nie aufgefallen ist. Ich habe gestern daraufhin Videos bei youtube geschaut. die ganzen international bekannten Reiter…… Alle Pferde schlagen ja schon fast pausenlos mit dem Schweif…. Schlimm…..
Ja, so ist es – leider !
Ich finde den Text sehr gut geschrieben und es ist sicher eine Tatsache, dass viel zu wenig auf die Losgelassenheit des Pferdes geachtet wird. Ich denke sehr oft darüber nach, wie losgelassen mein Pferd jetzt ist, wie ich es noch verbessern kann etc.etc.etc.
Da kommt bei mir aber auch der Gedanke, ob wir nicht eine zu perfekte Losgelassenheit erwarten. Genau wie jeder Mensch ist ja auch jedes Pferd unterschiedlich gebaut und ich glaube diese non-plus-ultra-Losgelassenheit kann man nicht von jedem Pferd als das Optimum ansehen. Ich denke da an ein Pferd, welches super schön über den Rücken geht, aber bei jeder etwas anstrengenderen Lektion mit dem Schweif schlägt. Wahrscheinlich könnte das alles noch viel perfekter funktionieren, evtl. mit einem besseren Reiter, evtl. mit noch mehr Übung, evtl. mit weiteren Osteo-/Physio-/Chirobehandlungen. Aber wo ist genug?
Ich selber gönn mir den Physio noch nicht, wenn ich Schulterbeschwerden habe, hole ihn aber schon eher früh beim Pferd. Aber mein Pferd kriegt keine dauernde Behandlungen, ein bisschen Verspannung und ein bisschen Schiefe ist eben doch normal.
Ich denke hingegen, dass es ein bisschen losgelassen nicht gibt. Entweder, das Pferd lässt sich los oder auch nicht. Der Schweif ist die Verlängerung des Rückens. Wenn das Pferd mit dem Schweif schlägt, verspannt es sich. Das kann zwar jedem passieren, aber dann muss man überprüfen, woran es liegt und dann wieder an der Losgelassenheit arbeiten.
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