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„Der Reitunterricht findet auf dem Reitplatz, im Gelände und in der Reitbahn statt. Im Verlauf der ganzen Ausbildung müssen sich der Unterricht in der Bahn bzw. auf dem Reitplatz und im Gelände ergänzen. Sooft wie möglich muss der Reitunterricht aller Abteilungen ins Gelände verlegt werden. Dort werden Reiter und Pferd auf langen Linien und über unebenem Boden ausgebildet.“ (HDV12, 1937)

 

 

Heute ist es normal, dass Pferde ihre Ausbildung vom ersten Tag ihres Reitpferdelebens an in der Halle oder auf dem Reitplatz verbringen. Zu Beginn an der Longe und später unter dem Sattel. Die jungen Pferde gewöhnen sich daran. Ihre Losgelassenheit, die Fähigkeit, sich auszubalancieren, die Kräftigung von Sehnen, Gelenken und Bändern rückt dabei leicht in den Hintergrund. Die Belastungen durch enge Wendungen, die sich in einer 20x40m oder 20x60m Halle nicht vermeiden lassen, beanspruchen die noch so unfertigen Gelenke sehr schnell zu stark. Die jungen Remonten verspannen sich, verlieren an natürlicher Bewegung und nicht selten den Spaß an der Arbeit. Immer mehr Pferde werden vier, fünf oder sechs Jahre alt und waren noch nicht ein einziges Mal im Gelände.

Dann wird es oftmals schwierig und viele Reiter haben Pferde, die man im Gelände schlecht oder gar nicht managen kann. Spaß macht das nicht!

Noch vor weniger als 100 Jahren wurde das anders gehandhabt. So wie das Pferd unter dem Reiter soweit zu bedienen war, dass „Gas, Lenkung und Bremse“ funktionierten, ging es hinaus auf große Plätze, lange Waldwege, große Wiesen, Stoppeläcker. In frischem Tempo losgelassen und in Dehnungshaltung vorwärts. Trab-Galoppübergänge im leichten Sitz, ausgedehnte Schritttouren mit hingegebenen Zügel. Im Allgemeinen mit einem routinierten Begleitpferd, hinter dem sich ein Youngster bei „großen Gefahren“ verstecken konnte.

Das ist heute in vielen Fällen nicht mehr möglich oder auch nicht mehr gewollt. Einem großen Teil der Ausbilder und Reiter zu aufwendig, manchmal auch nur mit viel Engagement überhaupt umzusetzen. Es ist nebenbei auch nicht ganz ungefährlich. Alles ist aufregend, bei der kleinsten Kleinigkeit kommt ein riesiger Satz zur Seite und wenn man dann als Pferd – evtl. auch noch unausbalanciert  – aus der Fassung gerät, kann das für den Reiter oben drauf auch schon mal ein schwieriges Unterfangen werden. Vor allem dann, wenn der selbst nicht ausreichend routiniert im Umgang mit Pferden im Gelände ist. Wer dann nicht schussfest ist, landet auch schon mal im Graben.

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Galoppieren auf großen gebogenen Linien kann man auch auf einer Wiese. Die Nase sollte dabei an der Senkrechten sein.

 

Diese Anfangsprobleme kann man aber recht gut umgehen. Man kann zu Beginn im Gelände auf einer Wiese longieren oder nach dem Longieren in der Halle die ersten Spaziergänge mit dem Pferd an der Hand unternehmen. Das schafft Vertrauen, macht cool. Wird es einmal gefährlich, ist der „beschützende Mensch“ ja ganz in der Nähe. Das Pferd lernt so ganz unkompliziert, dass das alles gar nicht so schlimm ist.

Grundvoraussetzung für eine solche Unternehmung ist allerdings, dass das Pferd die grundlegenden Kommandos an der Hand beherrscht. Dazu gehören Halten, Rückwärtsrichten, ggf. erste Seitwärtsbewegung durch Anlegen der Hand oder der Gerte an Schulter oder Rippe. Außerdem sollte das Pferd zu führen sein und man selbst Handschuhe tragen und mit Stahlkappen in seinen Schuhen ausgerüstet sein. Sollte das Pferd einmal zur Seite springen, verhindert man damit Plattfüße….

Macht man das über einen Zeitraum von ein paar Tagen, kann man nach Longieren als Lösungsphase den ersten Ausritt mit einem Begleitpferd unternehmen.

Wichtig ist hier, sein Pferd von Anfang an dazu zu erziehen, dass der Zügel im Schritt so lang ist, dass sich das Pferd den Hals fallen lassen, sich vorwärts-abwärts dehnen kann, die Nase Höhe des Buckgelenkes.

Man ist selbst sehr schnell dazu verleitet, die Zügel zu kurz zu nehmen, da man das Gefühl hat, man hat das Pferd im Notfall besser im Griff.  Dieser zu kurze Zügel bedeutet jedoch immer: Die Qualität der Grundgangarten leidet, das Pferd verspannt sich, hat nach einer gewissen Zeit Schmerzen im Bereich des Nackens, da die Muskeln in diesem Bereich noch zu schwach sind, um den Hals in dieser Position länger zu halten. Vor allem wird das junge Pferd dadurch unsicher. Denn: „Wenn der da oben mich so festhält, dann muss ja hier gleich was ganz Schlimmes kommen…“ Man kann sein Pferd dazu erziehen, dass der ausreichend lange Zügel kein Freifahrtschein zum Gasgeben ist, sonder heißt: Es ist alles gut!

Viele Pferde heizen sich auf, wenn sie die ersten Male im Gelände sind. Dann heißt es vorwärts reiten. Auch, wenn einem der zusammengezogene Schritt irgendwie sympathischer erscheint. Je enger man das Pferd  aber macht, je mehr man es in ein langsames, jedoch spanniges Tempo zwingt, umso schneller explodiert es. Die Verspannung muss ja irgendwann raus. Damit es erst gar nicht zu widersetzlichem Verhalten kommt, sollte der Reiter fleißig vorwärtstraben. Wenn die Möglichkeit besteht, kann man in solchen Situation auf einer Wiese auf einem großen Zirkel hinter dem Begleitpferd hertraben. Ist die Spannung raus, regen sich junge Pferde schnell wieder ab. Außerdem ist nach der ersten Aufregung der Youngster schnell müde.

Da ältere Pferde meist schon ökonomischer denken, ist auch dann nach dem ersten Übermut sehr schnell Ruhe eingekehrt. Nach ein paar Wochen wechselt man Trab-Galoppübergänge und Zügel aus der Hand kauen lassen mit ausgedehntem Schritt reiten mit hingegebenen Zügel ab und beginnt mit den ersten kleinen Klettertouren. Dabei sollte der Unterschied zwischen Berg und Tal allerdings nicht so groß sein. Ich versichere, wenn es bergab geht, kann das bei einem unerfahrenen und schlecht ausbalancierten Pferd schon mal eine ziemlich schaukelige Angelegenheit und man sieht sich schon selbst irgendwo im Gebüsch liegen… neben oder auch unter dem Pferd.

Auch erste Lektionen kann man im Gelände trainieren. Wegbiegungen eignen sich hervorragend für Viertel-Volten, bei denen man an Stellung und Biegung arbeiten kann. Abzweigungen für eine Viertel-Kurzkehrt oder Vorhandwendungen. Gerade Waldwege sind gut für erstes Schulterherein zu verwenden oder für ein gedankliches Viereck vergrößern oder verkleinern. Wiesenwege für Halten und Rückwärtsrichten und wieder Anreiten zuerst aus dem Schritt und später aus dem Trab. Baumreihen eignen sich bestens zum Reiten von Schlangenlinien und Achten. Diese Lektionen unterstützen Stellung und Biegung, verbessern die Längsbiegung beim Pferd. Tritte verlängern im Leichtraben und erste Sprünge verlängern im Galopp im leichten Sitz und später im Aussitzen erhalten die Aufmerksamkeit des Pferdes auf seinen Reiter. Sie schaffen die Sensibilität für gefühlvolle Hilfen und verbessern die Qualität der Grundgangarten.

Viele Reiter und Ausbilder glauben, dass ein Pferd, das in den ersten Ausbildungsjahren nur ins Gelände geht, dabei nicht genug lernen kann, aber das ist eine Fehleinschätzung. Macht man es richtig, fehlen für die dressurmäßige Ausbildung nach dieser Zeit nur noch die Bahnpunkte. Selbst die jedoch kann man gedanklich für sich festlegen: Ein Pfosten einer angrenzenden Weide, ein ausgesuchter Baum am Wegesrand oder auch Busch können sehr gute „Bahn“punkte sein, an denen man ganze Paraden üben kann, an denen man eine Volte platziert oder wo man einfach über eine Distanz X Zügel aus der Hand kauen lässt.

Auch später, wenn es an weitergehende Lektionen geht, ist das Gelände bestens geeignet. Stoppelfelder, wenn sie gerade sind, sind gute „Vierecke“ für erste langgezogene Traversalen oder Schulterherein mit anschließendem Zulegen oder einfache Galoppwechsel. Wegkreuzungen sind dann später bestens für die ersten Pirouetten zu nutzen. Gerade Waldwege verbessern Ausdruck und Qualität der Serienwechsel bis hin zu den Einerwechseln. Die räumliche Begrenzung in der Halle machen diese Lektionen für viele Pferde nicht einfach. Dieses Problem ergibt sich im „Busch“ nicht.

Neben grundlegenden Lektionen lassen sich auch kleine Sprünge über niedrige Baumstämme in die Ausbildung einbinden. Diese müssen auch nicht hoch sein. Schon das Traben über einen Baumstamm, unterstützt die Gleichgewichtsfindung, macht den Rücken richtig locker und den Pferden Spaß!

 

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Schon kleine Sprünge unterstützen die Gleichgewichtsfindung beim Pferd.

 

Zu alle dem werden einem dabei noch ein paar wichtige Dinge geschenkt: Ein aufmerksames und zufriedenes Pferd, dass sich entspannt und losgelassen an die Hand des Reiters dehnt. Ein Pferd, das gesund bleibt und ein Pferd, das sich nach einer gewissen Zeit nicht mehr aus der Ruhe bringen lässt.

Dann macht Reiten Spaß!

Sehr viel Spaß J

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