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„Ungeachtet der Ursachen aber, auf die jedwede Schiefe zurückzuführen sein möge, wird bei einer korrekten Ausbildung das angestrebte Endziel immer das nahezu völlig gerade gerichtete Pferd sein.“

Hans Freiherr von Stackelberg („Reiten Ausbilden Richten“)

Foto: Katja Stuppia
Gebogene Linien und häufige Handwechsel verbessern die Rippengeschmeidigkeit des Pferdes und unterstützen so das Geraderichten. Das zahlt sich dann bei den höheren Lektionen  aus!

 

Sowie man sich mit dem Reiten und Ausbilden eines Pferdes befasst, stößt man schon auf das erste Hindernis. Das Pferd ist schief – von Natur aus. Das ist an sich kein Problem solange man es nicht reiten und ausbilden möchte….

 

Hohle und feste Seite

 

Pferde haben eine hohle und eine feste Seite. Sie sind von Natur aus schief und dadurch nicht auf beiden Seiten gleich geschmeidig. Das ist an sich kein Problem, wenn sie nur auf der Weide laufen und nicht weiter beansprucht werden. Sie werden sich so bewegen, dass sich diese natürliche Steifheit nicht weiter störend auswirkt. Sie können ja einfach ausweichen. Will man sein Pferd jedoch reiten, dann sollte man auf jeden Fall daran arbeiten, sein Pferd geradezurichten und es auf beiden Händen gleich geschmeidig zu machen. Verzichtet man auf das notwendige Geraderichten, dann hat das Pferd immer eine schlechtere Hand. Darüber hinaus führt eine dauerhafte Schiefe und die damit verbundenen Fehlbelastungen auch zu frühzeitigem Verschleiß, denn Gelenke, Muskeln, Sehnen und Bänder werden falsch belastet. Beim Reiten macht sich die natürliche Schiefe dadurch bemerkbar, dass Pferde meist auf der rechten Hand mit dem inneren Hinterbein zur Seite ausweichen und so keine Last aufnehmen. Auf der linken Hand fallen sie Schulter aus, stellen sich nach rechts, gehen gegen den rechten Schenkel und den linken Zügel und nehmen so eine falsche Rechtstraversstellung an. Auch das, da ihnen die Rippenbiegung schwerfällt.

Will man diese Probleme lösen, muss man im ersten Schritt die Rippengeschmeidigkeit und in der Folge die Rippenbiegung verbessern mit dem Endziel, dass alle Übungen und Lektionen auf beiden Händen gleich gut und korrekt geritten werden können und das Pferd auf beiden Seiten gleich geschmeidig ist. Erst wenn das geschafft ist, kann man vom geradegerichteten Pferd sprechen. Das zu erreichen ist ein lang andauernder Prozess. Gustav Steinbrecht hat das schon 1881 mit seinem weltweit bekannten Satz „Reite Dein Pferd vorwärts und richte es gerade“ auf den Punkt gebracht.

Geraderichten bedeutet somit nicht, immer nur geradeaus zu reiten, sondern über das Geschmeidigmachen der Rippenpartien das Pferd auf beiden Seiten gleich gut zu gymnastizieren.

Es bedeutet gleichzeitig, dass man sein Pferd in der Bewegung und immer als GANZES gymnastizieren muss und sich nicht beispielsweise im Stehen auf ein Abbrechen im Hals reduzieren kann. Wenn man ein Pferd in „Teile aufteilt“ und glaubt, diese nacheinander bearbeiten zu können, wird das nicht funktionieren und eine Geschmeidigkeit in der Rippenpartie wird man nicht erreichen. Richtiges Gymnastizieren funktioniert also nur in der Bewegung. Schon im Schritt kann man mit dem Reiten von beispielsweise Schlangenlinien in der früher gängigen S-Form oder mit der großen und der kleinen Acht sehr viel erreichen.

Man sieht hier deutlich, wie das Pferd mit dem rechten Hinterbein nach rechts ausweicht.

 

Woran erkennt man ein nicht geradegerichtetes Pferd?

Man erkennt ein nicht gerade gerichtetes Pferd sehr deutlich daran, dass es das Gebiss nicht annimmt und sich nicht davon abstößt. In den Wendungen ist es oft schwierig, eine gleichmäßige Anlehnung zu erreichen. Beim Reiten der ganzen Bahn bewegt sich das Pferd auf zwei Hufschlägen. Manchmal scheint es an der Bande „zu kleben“ oder weicht mit der Hinterhand zum Bahninneren aus. Es hat eine deutlich schlechtere Hand. Wenn die Pferde älter werden, spürt man eine deutliche Steifheit und bei manchen Pferden ist auch die Muskulatur auf beiden Körperhälften unterschiedlich ausgeprägt. Jedes Pferd ist von Natur aus schief und es fällt ihm schwer, Vor- und Hinterhand auf der gleichen Hufschlaglinie zu bewegen, zumal die Vorhand auch noch schmaler ist als die Hinterhand. Um damit verbundene Schwierigkeiten in der Ausbildung zu reduzieren und um es vor falschen körperlichen Belastungen zu schützen, ist es wichtig, sein Pferd geradezurichten. Geraderichten kann man das Pferd über Übungen und Lektionen, die die Geschmeidigkeit der Rippenpartien und in Folge die Rippenbiegung verbessern. Schlangenlinien durch die ganze Bahn, häufige Handwechsel, die große und die kleine Acht mit Übertreten auf der steiferen Hand. Wenn die Pferde weiter geritten sind helfen Seitengänge, die Rippenbiegung kontinuierlich zu verbessern.

Wenn gerne und viel ausreitet, kann man viele Übungen und Lektionen auch im Gelände auf geraden Wegen reiten. Dazu zählen Viereck vergrößern und verkleinern, Volte im Schwenken an einer Weggabelung beispielsweise und Seitengänge.

 


Klettern ist eine gute Abwechslung. Es macht den Pferden Spaß, verbessert die Tirttsicherheit und hilft Muskeln in Vor- und Hinterhand gleichermaßen aufzubauen.

 

Das Verbessern der Rippenbiegung und damit das Geraderichten sind Aufgaben, die Reiter und Pferd bis in ein hohes Alter begleiten, denn man muss immer daran arbeiten. Nur wenn man diese gleichmäßige Geschmeidigkeit oder Elastizität in der Rippenpartie zu erreichen weiß, kann man sein Pferd gesund erhalten. Nicht umsonst, gehört das zu den wichtigsten Aufgaben beim Reiten und Ausbilden eines Pferdes überhaupt. Wie bei allem in der Ausbildung und beim Reiten eines Pferdes muss man sich dafür Zeit lassen und vor allem beim jungen Pferd behutsam vorgehen. Sobald bei der Remonte der reine Gang durch Takt und Losgelassenheit erreicht ist, wird über eine reelle Anlehnung – die man durch häufige Übergänge, durch kleinere Tempounterschiede (Beispiel: erste Tritte und Sprünge verlängern) und häufige Handwechsel verbessert – zunächst an der notwendigen Durchlässigkeit zu arbeiten sein, bevor man überhaupt an Versammlung denken kann.

Hindernisse beim Geraderichten

Schon hier werden sich aber fast jedem Reiter die ersten Hindernisse in den Weg stellen. Das beginnt schon damit, dass das junge Pferd im Regelfalle den rechten Zügel nicht gerne annimmt, wodurch erstmal auch keine gleichmäßige Anlehnung gewährleistet ist. Das wird dann noch durch die hohle Seite erschwert und den daraus resultierenden schwierigen meist rechten Hinterfuß. Mit dem nimmt es ungern Last auf und weicht aufgrund der natürlich Schiefe immer wieder zur Seite aus. Zum guten Schluss muss man dann noch die – meistens linke Seite – zum Nachgeben bringen, um das Pferd in beidseitig gleichmäßiger Stellung und Biegung, das heißt rechts wie links auf gebogenen Linien und später in den Seitengängen arbeiten zu können. Es muss unser Ziel sein, das Geraderichten so vollkommen wie möglich zu machen, denn nur das gerade gerichtete Pferd wird sich den Hilfen nicht entziehen. Erreicht man diese Geschmeidigkeit nicht, wird sich das spätestens bei den schwereren Lektionen und bei erhöhter Versammlung oder auch im Parcours bei höheren Sprüngen rächen. Die Pferde sind schnell verspannt, machen sich fest, verwerfen sich im Genick, sind nicht so wendig, reagieren nicht auf gefühlvolle Hilfen und finden Mittel und Wege auszuweichen. Das ist dann nicht einmal böswilliger Vorsatz.

 

Uns Menschen geht es genauso: Sind wir steif und fest, dann zieht es und zwickt und wir bei schon bei etwas anspruchsvolleren körperlichen Anforderungen immer ausweichen – müssen.

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