„Schritt muss man reiten!“ Paul Stecken
Sicherlich kann und sollte man zwischendurch immer wieder einmal die „Zügel lang lassen“, aber Schritt reiten im ausbildungstechnischen Sinne kann man darüber nicht!
Schritt zu reiten, Schritt immer wieder zu erreiten, ist gar nicht so einfach. Wenn man Reiter beim Schritt reiten beobachtet, dann ratschen sie mit den Mitreitenden, rauchen eine Zigarette nach der nächsten, telefonieren, verschicken Whats Apps. Die Pferde trotten auseinander gefallen vor sich hin. Mit Schritt-Reiten im ausbildungstechnischen Sinne hat das nichts zu tun.
Anlässlich eines Vortrages präsentierte der Redner seine letzte internationale Kür mit den Worten: „Die Prüfung war gut, aber der Schritt ist nicht die Stärke meiner Pferde. “ Der Schritt des Pferdes auf dem Video war eilig, gebunden, passartig. Heute ein ganz alltägliches Bild – nicht nur im internationalen Sport. Wenn man eben diesen Reiter beim täglichen Training mit seinen Pferden beobachtet, dann zeigen alle seine Pferde das gleiche Verhalten und er verfährt er immer nach derselben Methode: Er lässt seine Pferde über 10-15 Minuten mit Zügel auf dem Hals dahin latschen. Er telefoniert – immer. Dann werden die Zügel aufgenommen, im Allgemeinen viel zu kurz, er rudert mit dem Oberkörper vor und zurück, schiebt mit Becken und Unterschenkeln, die Ellenbogen schwingen aufwendig hin und her. Das Pferd rennt eilig in kurzen Tritten passartig durch die Bahn. Dann trabt er irgendwann genervt an.
So wird das mit einem korrekten, raumgreifenden, fleißigen und geregelten Schritt nichts.
Es zeigt sich fast überall das gleiche Bild. Solange Reiter ihre Zügel nicht aufgenommen haben, gehen die Pferde meist noch taktrein, jedoch kommt der Schub nicht aus der Hinterhand. Die Pferde ziehen aus der Vorhand. Nehmen die Reiter die Zügel auf, treten die Pferde hinten meist mit einem Bein kürzer, die korrekte diagonale Fußfolge ist nicht mehr klar zu erkennen. Die Phasen im Schritt verschieben sich. Der Schritt ist passartig oder zumindest gebunden.
Woher kommt das?
Wenn man ein Pferd am Zügel anführt oder die junge Remonte – noch nicht im Gleichgewicht – die ersten Male unter dem Sattel betrachtet, dann schieben sie beim Anführen / Anreiten (aus dem Halten) im Schritt noch nicht aus der Hinterhand, sondern ziehen aus der Vorhand. Die Hinterhand ist noch nicht herangeschlossen. Sie vollführen eher eine in die Länge gezogene Bewegung zuerst mit dem Vorderbein und dann folgt in kurzer zeitlicher Verzögerung das diagonale Hinterbein. Die Pferde bewegen bei einem solchen Schritt auf der Vorhand, nehmen das Gebiss nicht an, drücken in die Hand oder heben sich heraus.
Einen solchen – nicht mehr taktreinen – Bewegungsablauf findet man auch bei weiter ausgebildeten Pferden, die (im Schritt) nicht korrekt geritten werden.
Der viel zu kurze Zügel – und dann auch noch der Zügel als Ausbinder – an der Longe blockiert den Bewegungsablauf des Pferdes. Der Schritt ist nicht taktrein. Das Pferd geht deutlich auf der Vorhand. Eine solche Vorgehensweise schadet dem Pferd.
Korrekt geritten, beginnt das Pferd, die antreibende Hilfe des Reiters fühlend zuerst mit dem Hinterfuß. Es beantwortet die Hilfe quasi in der Form, dass es die Hinterhand zusammenschiebt und mit einem Hinterbein abstößt. Dabei hebt es gleichzeitig das diagonale Vorderbein, das während das Hinterbein noch die abstoßende Bewegung macht, schon nach vorne ausgreift. Bei einem solchen Schritt nimmt das Pferd das Gebiss auch an.
Beim Schritt reiten werden meist die folgenden grundlegenden Fehler gemacht:
- Der Zügel ist zu kurz. Ein zu kurzer Zügel geht immer zu Lasten des Raumgriffs. Die Schritte werden kurz, es entsteht eine passartige Fußfolge, der Schub aus der Hinterhand ist blockiert. Das Pferd kommt auf die Vorhand. Fehlerhafte oder falsch verstandene Versammlung zeigt das gleiche Ergebnis.
- Der Reiter versucht das Pferd im Schritt zu schieben. Dabei wird meist mit dem Becken eine aufwendige Schiebebewegung gemacht und mit den Ellbogen hin und her gerudert, was das Pferd eigentlich nur stört. Das Pferd kann das Gebiss nicht annehmen. Man sieht es sehr häufig, dass so gerittene Pferde immer wieder anzackeln, da sie sich verspannen.
- Die Aussage: Der Reiter soll aus dem Ellenbogen elastisch vorgeben, wird fehlerhaft mit einem mehr oder weniger starken Rudern übersetzt. Dieses Verhalten des Reiters behindert das Pferd so sehr, dass es nicht an die Hand herantreten kann. Das Pferd ist verspannt.
- Der Reiter strecken die Arme fast gerade nach vorne, anstatt den Zügel im Schritt länger zu lassen. Dadurch ist er im gesamten Oberkörper verspannt. Diese Verspannung überträgt sich auf das Pferd und es kommt nicht zum Schreiten. Meist bewegen sich die Pferde auch hier in passartiger Fußfolge.
- Die Reiter haben die Hände zu hoch. Durch die zu hohe Hand kommt die Nase im Allgemeinen hinter die Senkrechte. Es entsteht ein falscher Knick. Das Pferd nimmt das Gebiss nicht an. Der Schub aus der Hinterhand ist nicht mehr sichergestellt. Das Pferd ist verspannt.
- Die Pferde latschen die Zügel auf dem Hals liegend ohne Genickkontrolle auseinandergefallen auf der Vorhand. Die Zügel werden nur aufgenommen, wenn angetrabt werden soll. Der Schritt erfolgt nicht von hinten nach vorne durch den Körper. Die Pferde ziehen über die Vorhand. Auch sie können das Gebiss nicht annehmen. Die Pferde sind verspannt.
- Die Reiter treiben in übertriebenem Maße klopfend mit dem Sporen bohrend bei jedem Schritt. Die Pferde werden stumpf, manche am Schenkel widersetzlich oder beginnen zu klemmen. Die Pferde sind verspannt.
Das Bild zeigt deutlich, dass das Pferd im Schritt nicht aus der Hinterhand schiebt. Das Hinterbein fußt verspätet ab. Es kommt deutlich auf die Vorhand. Die Reiterin streckt die Arme gerade aus nach vorne.
Wie kann man diese Fehler beseitigen?
Im leichten Sitz immer wieder frisch vorwärts zu galoppieren, macht den Rücken locker und Verspannungen lösen sich. Das wirkt sich dann mit dem richtigen Zügelmaß auch auf den Schritt aus!
Da Taktfehler und wenig Raumgriff im Schritt immer auf Verspannungen zurückzuführen sind, muss man diese erst einmal beseitigen. Die Arbeit im Gelände ist dafür nahezu perfekt! Wie in allen „reiterlichen Lebenslagen“ schafft das Zügel aus der Hand kauen lassen in Schritt, Trab und Galopp die entsprechende Spannungsfreiheit. Auch kann und sollte man im leichten Sitz frisch vorwärts galoppieren, mal bergauf und bei leichten Senken bergab. Wegkreuzungen kann man verwenden, um sie mit korrekter Stellung und Biegung zu durchreiten.
Daneben schaffen Tempounterschiede, gebogenen Linien und Übergänge die notwendige Losgelassenheit, um daraus den Schritt wieder zu verbessern.
Im Schritt den Schritt verbessern:
- Im Gelände häufige Wechsel zwischen Reiten am langen Zügel und Reiten mit hingegebenen Zügel mit Genickkontrolle. Dabei das Pferd gefühlvoll treiben ohne zu klopfen, zu schieben und ohne zu rudern.
- Der Bewegung aus dem Ellbogen zwar folgen, jedoch so dosiert, dass die konstante Anlehnung erhalten bleibt.
- Wenn sich das Pferd heraus hebt, gegen die Hand drückt. Die Hand stehen lassen, das Pferd an die Hand heran treiben bis es das Gebiss wieder annimmt und dann selbst nachgeben. Man ist dazu verleitet, wenn sich das Pferd heraus hebt, entweder die Hände in den Bauch zu ziehen oder die Zügel zu verkürzen. Beides ist falsch. Damit wirkt die Hand rückwärts und das Pferd beugt sich dem harten Druck auf das Maul. Es nimmt das Gebiss allerdings nicht an.
- Die Halben Paraden alle zwei bis drei Schritte nicht vergessen.
- Die kleine Acht reiten und dabei Zügel aus der Hand kauen lassen.
- Daneben verbessern natürlich alle Lektionen und Übungen den Schritt, die auch die Geschmeidigkeit in den Rippen verbessern. Dazu gehören große gebogenen Linien, häufige Handwechsel sowie die Seitengänge.
Einen „schlechter“ gewordenen Schritt zu korrigieren, geht nicht auf die Schnelle. Es verlangt Geduld und sehr viel Konsequenz. Man muss sich „zwingen“, den Zügel nicht permanent kürzer zu fassen, wenn das Pferd sich heraushebt. Die Hand darf nicht rückwärts wirken, wenn das Pferd dagegen drückt. Die halben Paraden, der gefühlvoll einwirkende Schenkel müssen das Pferd immer wieder an die aushaltende Hand herantreiben. Wenn das Pferd dann nachgibt, sich fallen lässt, dann muss der Reiter sofort ebenfalls nachgeben, so dass das Pferd auch im Schritt das Gebiss annehmen kann. Nimmt das Pferd das Gebiss im Schritt an, dann wird es das auch in Trab und Galopp tun, aber man muss es immer wieder erarbeiten.
Vielen Dank für den tollen Artikel. Wenn man reiten möchte, sollte man möglichst alle Disziplinen beherrschen und diese auch umsichtig vollführen.
Das macht einen wahren Reiter aus.
vielen dank. gut erklaert und dezent formuliert, dass ich, als Reiter, die groesste Quelle der Verspannung bin.
Auch vergessen gehabt, dass ein flotter (geregelter) Galopp als Entspannung geritten werden kann.
Nun noch reiten…. mein Pferd dankt Ihnen auch!
Wirklich sehr gut erklärt. Wir tun uns auch noch schwer mit Vorhandlastigkeit im Schritt, besonders auf dem Platz, im Gelände läuft er meist besser.