Was tun mit der Hand?
Am besten NICHT ZIEHEN…!
Über die Handhaltung, ihre Position und Wirkung kann man Bücher schreiben. Jede Reitauffassung interpretiert ihre Funktion anders und das bietet Zündstoff für viele – teilweise überflüssige – Diskussionen.
Wo gehört sie hin? Hoch – tief –breit – eng – aufrecht stehend – nach innen/außen gedreht oder lose auf dem Sattelknauf?
Wer weiß das heute schon, wenn jeder etwas anderes vermittelt, um seine Ideen und Erkenntnisse zu vertreten.
Da Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen zusammen wirken müssen, damit sich ein Pferd loslassen und durchlässig sein kann, sollte man versuchen das Folgende umzusetzen:
Die Hand wird mit korrekt aufgestellter und geschlossener Faust eine Handbreit über den Widerrist geführt. Die Gerte – falls in der Hand – zeigt dabei in Richtung Pferdeknie. Man kann eine Linie vom Ellbogen bis zum Pferdemaul ziehen. Nur mit dieser Handhaltung kann man korrekte und gefühlvolle Halbe Paraden geben, aus dem Ellbogen vorgeben, im Schritt der Nickbewegung des Pferdekopfes folgen! Nur bei einer solchen Handhaltung liegt das Gebiss ruhig im Pferdemaul, ohne schmerzhaften Druck auf Zunge oder Laden zu erzeugen! und natürlich, ohne sich selbst zu verspannen.
Die Wirkung der Hand auf das Pferd sollte man jedoch nicht unabhängig von den restlichen Hilfen betrachten. Erst durch richtiges Zusammenwirken der Gewichts-, Schenkel und Zügelhilfen ist ein gefühlvolles Einwirken ohne Druck und Kraft möglich. Die Zügel sind das Verbindungsglied zwischen der Hand des Reiters und dem Maul des Pferdes und stellen ausschließlich bei korrekter Haltung eine konstante Anlehnung zum Pferdemaul sicher.
Zügelhilfen stehen immer in Verbindung zum Gewicht und Schenkel des Reiters und sollten niemals vorherrschen dürfen. Wann immer Handfehler auftreten, wird das Zusammenwirken der Hilfen gestört. Das Pferd verspannt sich automatisch. Kommen dann noch Fehler in Sitz und Einwirkung hinzu, kann das Pferd eigentlich nur noch erraten, was der Reiter möchte. Viele Pferde machen schon kleine Unstimmigkeiten in Sitz und Einwirkung unsicher.
Fehler und ihre Wirkung
Die Faust nicht geschlossen
Die Faust ist hier nicht geschlossen, Zügelführung ist fehlerhaft.
Bei nicht geschlossener Faust oder wie hier locker durch die Finger gleitenden Zügel kann der Reiter keine Halben Paraden geben, der Zügel gleitet schnell durch die Hand, so dass keine konstante Verbindung zum Pferdemaul möglich ist. Mal wird der Zügel länger, dann springt er, dann wird nach gefasst ohne eine konstante Anlehnung zu erreichen. Auch wirkt sich eine derartige Zügelführung auf die Körperspannung des Reiters aus. Dadurch, dass der Zügel nicht hinter dem Ringfinger geführt wird, behindert auch darüber das Geben der Halben Paraden.
Handgelenk verdreht
Hand ist verspannt nach unten gedrückt.
Eine verdrehte Hand führt beim Reiter zu Verspannungen. Ist das Handgelenk nicht locker und unverspannt, kann der Reiter keine halben Paraden geben. Ein wie hier nach unten gedrücktes Handgelenk führt unter anderem auch zu Verspannungen in der Schulterpartie. Auch kann man aus dem Ellbogen nicht mehr vorgeben und zieht automatisch die Schultern hoch. Beim Reiten einer Wendung oder Volte wird man vermehrt mit der Hüfte einknicken, den Oberkörper verdrehen und die Hand nebst Arm hinter den Körper ziehen. Dadurch kommt das Pferd wiederum schnell aus dem Gleichgewicht.
Hand über den Mähnenkamm geführt
Die Reiterin hat die Hand über den Mähnenkamm gezogen.
Führt der Reiter die Hand über den Kamm, wird das Pferd genau das tun (müssen), was der Reiter hofft, durch das über den Kamm führen zu vermeiden: Es wird über die Schulter ausweichen. Bei einer solchen Handhaltung wirkt der Zügel rückwärts. Inneres Hinterbein und innere Schulter werden an der Vorwärtsbewegung behindert. Dadurch drückt sich das Pferd nach außen weg, verspannt sich im Rücken. Viele Pferde verwerfen sich dann, öffnen unwillig das Maul.
Arme und Hände nach hinten geführt
Die Reiterin hat die rechte Hand zu weit nach hinten geführt, so dass der Oberarm inklusive Ellbogen den Schwerpunkt der Reiterin nach hinten verlagert.
Bei einer solchen Zügelführung wirkt – wie in diesem Fall – die rechte Hand rückwärts, das Pferd kommt aus dem Gleichgewicht, da sich beim Reiter auch die Schenkellage verändert. Der rechte Unterschenkel bewegt sich automatisch nach vorne, während sich rechte Hüfte und rechte Beckenseite nach hinten schieben. Eine richtige Einwirkung ist nicht mehr möglich. Parallel dazu wird der Reiter automatisch das linke Knie hochziehen. Im Ergebnis wird sich das Pferd vollkommen schief durch die Bahn bewegen – müssen.
Unterarme zu eng zusammengeführt
Unterarme zu dicht geführt, die Schulter hochgezogen.
Eine solche Handhaltung führt beim Reiter zu Verspannungen, da er automatisch die Schultern hochzieht. Halbe Paraden können so nicht mehr gegeben werden. Das Pferd wird sich folglich ebenso verspannen.
Hände nach unten gerückt
Die Reiterin hat die linke Hand nach unten gedrückt und die rechte Hand verdreht über den Kamm gezogen.
Diese auf den ersten Blick minimalen Haltungsfehler machen jede gefühlvolle Einwirkung unmöglich. Das Pferd wird sich aufgrund der hart einwirkenden Hand verspannen, ggf. das Maul unwillig aufsperren. Viele Pferde knirschen bei solchen Handfehlern mit den Zähnen. Drückt man die Hand nach unten, kann man aus dem Ellbogen nicht mehr vorgeben, die Schulterpartie ist ebenfalls verspannt. Auch kann man keine Halben Paraden mehr geben.
Reiterhand zu hoch
Auf keinen Fall sollte man die Hand wie hier demonstriert so hoch tragen.
Das Pferd kommt dadurch zwangsläufig mit der Nase hinter die Senkrechte. Es entsteht ein falscher Knick.
Hände gekippt
Die Reiterin hat die Fäuste nicht geschlossen und die Hände sind beide gekippt. Bei einer umgekippten Faust sind gefühlvolle Halbe Paraden nicht mehr möglich. Handgelenk und Schulterpartie des Reiters sind verspannt, in Folge das Pferd.
Unruhige Reiterhand
Nicht nur, dass die Hand bei vielen Reitern falsch gehalten und eingesetzt wird, sie ist auch in vielen Fällen sehr unruhig. Beim Leichttraben beispielsweise folgt sie dem Reiter beim Aufstehen nach oben und beim Einsitzen wieder nach unten. Bei manch einem Reiter macht das bis zu 20 cm rauf und runter aus. Das arme Pferdemaul, welches das ertragen muss. Niemand macht das mit Absicht – aber wenn es einem keiner erzählt, kann man nichts ändern.
Eine gefühlvolle Reiterhand schaffen:
Wie schafft man eine ruhige Hand in der richtigen Position? Wie bei allem gibt es auch hier Übungen, mit denen man das Problem in den Griff bekommen und die Handhaltung verbessern kann.
Dicke, flauschige Lammfellunterlagen sind bei einem gut sitzenden Sattel grundsätzlich unnötig, allerdings kann man diese in diesem Fall sinnvoll nutzen: Wenn die Hand nämlich korrekt positioniert ist, dann berühren die kleinen Finger den oberen Rand des Fells. Diese Berührung kann man fühlen. Konzentriert man sich darauf, registriert man zum Einen, wann und ob die Hand hoch und runter geht und des weiteren lernt man, die Bewegung aus dem Ellbogengelenk soweit zu steuern, dass die Hand dort bleibt, wo sie hingehört – in diesem Fall nämlich am Rande der Lammfellunterlage.
Wenn man beispielsweise bei Sitzübungen an der Longe statt der Zügel eine Gerte parallel über den Sattel in beide Hände nimmt und versucht diese so ruhig zu halten, dass beide Hände gleich hoch geführt werden, dann dient auch das schon der Verbesserung der Handhaltung. Das in Schritt, Trab und Galopp zu üben, macht den Sitz mit der Zeit unabhängiger von der Hand und man entwickelt ein Gefühl für die richtige Position. Wichtig ist bei allen Übungen, dass man versucht, unverspannt zu sitzen, mit den Knien nicht klemmt und den Oberkörper nicht zu weit nach Hinten verlagert. Dann wiederum ist die Hand auch noch mehr gefühlvoll in ihrer Wirkung auf das Pferdemaul.
Mit der Gerte in der Hand verbessert man die Handhaltung. Man kann es an der Longe in Verbindung mit Sitzübungen trainieren oder beim Reiten auf der ganzen Bahn, auf dem Zirkel oder der großen Acht.
Fehler in der Handhaltung liegen vielfach auch an Verspannungen des Reiters. Viele Reiter sind im Bereich der Schultern und des Beckens verspannt. Das wird nicht selten ausgelöst durch Sättel mit einer tiefen Sitzfläche und dicken Kniepauschen und den damit einhergehenden Verspannungen, der Änderung der Beckenstellung oder auch durch eine Arbeit mit vorwiegend sitzender Tätigkeit.
Rückenschmerzen, generelle Unsicherheit oder Ängste beim Reiten führen dazu, dass sich Reiter „am Zügel festhalten“ und nicht mehr unabhängig von der Hand sitzen können. Diese Ängste spiegeln sich dann in einer unruhigen, rückwärts wirkenden Hand wieder oder in allgemeinen Haltungsfehlern.
In solchen Fällen sind gymnastischen Übungen am Boden, die die eigene Elastizität verbessern oder auch Sitzübungen an der Longe eine gute Möglichkeit, diese Probleme zu reduzieren. Sitzübungen an der Longe helfen auch, eigene Ängste abzubauen, da man sich mit guten Übungen mit der Zeit immer sicherer fühlt.
Die Argumentation, die Hand aus Korrekturzwecken in bestimmter Form zu halten und hoch, breit oder tief führen zu müssen und das noch über einen längeren Zeitraum ist ein Hinweis auf eine insgesamt fehlerhafte Einwirkung und auf einen nicht besonders korrekt reitenden Reiter. Es führt zu Verspannungen und zu einem verunsicherten Pferd. Das Maul ist offen, die Pferde drücken in die Hand, schlagen mit dem Schweif oder werden widersetzlich. Im Ergebnis wirkt eine fehlerhaft positionierte und falsch eingesetzte Hand immer störend auf die Losgelassenheit des Pferdes. Wenn ein Pferd das Gebiss annimmt, sich loslässt und durchlässig ist, der Reiter über einen korrekten Sitz verfügt, die Hilfen richtig zusammenwirken, dann sind solche Systeme unnötig und eine Argumentation für ein solches Vorgehen überflüssig.
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