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Heute wird ja alles – was nicht so schön ist – mit dem Begriff “Momentaufnahme” entschuldigt. Ob es sich dabei um die vielen unschönen und teils tierschutzrechtlich relevanten Rollkurbilder handelt, um das aufgesperrte Maul, das auf der Vorhand latschende Pferd, die spektakulär nach oben gerissenen Vorderbeine oder das durch den Sand schleppende Hinterbein. Alles sind Momentaufnahmen und so ist man auf bequemste Weise raus. Außerdem kann man ja von jedem Reiter mal schlechte Bilder sehen…

Ist das so?

Die sogenannte Momentaufnahmen eines Pferdes sagt aber noch viel mehr aus als nur das, was in dem Moment schön oder nicht schön ist. Sie sagt viel über das Reiten, den Reiter, die Ausbildung und die gesundheitliche Situation des Pferdes aus: Ist es verspannt, gibt den Rücken nicht her, hat muskuläre Probleme, Stress, Schmerzen oder fühlt es sich wohl, ist losgelassen, zufrieden.
Auch kann man an vielen Bildern schon erkennen, ob die Ausbildung eines Pferdes in die richtige Richtung geht und die Pferde gefühlvoll, weitestgehend richtig und pferdegerecht gehalten und geritten werden. Wer sein Auge schult, wird mit der Zeit kritischer werden. Kritischer in Bezug auf die Entwicklung des eigenen Pferdes und kritischer in Bezug auf die Wege, die in der Ausbildung beschritten wurden und werden. So lernt man, Fehler oder Fehlentwicklungen bei seinem eigenen Pferde früher zu erkennen und ggf. zurückzukehren zum richtigen Weg.

Da man ja heute schon fast gesteinigt wird, wenn man das Fotos eines international erfolgreichen Reiters analysiert und so mögliche Kritikpunkte findet, haben wir darauf verzichtet und reduzieren die Analyse auf unsere Pferde von los-gelassen – auch wenn Herr Stecken jetzt richtigerweise sagen würde: “Wer sich in die Öffentlichkeit begibt, muss damit rechnen, dass er wahrgenommen wird…”

 

Auf dem folgenden Foto sieht man ein Pferd im Galopp von der Seite. Das Pferd hat zeigt einen gut durchgesprungenen Galopp mit der gewünschten Aufwärtstendenz. Die Reiterin sitzt leicht entlastend, gibt die Hand vor, um das Pferd zu loben.
Mehr sieht man auf den ersten Blick nicht. Oder doch?

Wenn man aber genauer hinschaut und seine Auge schult, kann man sehen, welche Muskeln wie arbeiten und ob sie richtig oder falsch entwickelt sind.

Fangen wir mit der Vorhand an und nehmen einmal einige Muskeln unter die Lupe:

 

Die Vorhand:

Hier gibt es zwei Muskeln, die uns schon viel aussagen können. Das  ist zum einen der rautenförmige Muskel (M. rhomboideus) und der Riemenmuskel (M. splineus). Dabei ist der gut entwickelte rhomboideus – der im Genick ansetzt – ein Hinweis darauf, dass das Pferd gelernt hat, korrekt Zügel aus der Hand kauen lassen zu gehen und zum zweiten, dass es sich tragen kann und immer versucht wurde, es mit der Nase bei korrekter Anlehnung an die Senkrechte zu reiten. Wenn diese Muskeln nicht gut entwickelt sind, dann hat das Pferd im Genick eine tiefe Delle. Diese Delle hat auch zur Folge, dass es ihm durch die fehlende Kraft nicht möglich ist, eine korrekte Dehnungshaltung zu zeigen. Diese Pferde gehen mit der Nase hinter der Senkrechten oder strecken den Kopf auf der Vorhand latschend mit geradem Hals nach vorne. Sieht man das, weiß man, dass in der Ausbildung einiges nicht richtig gelaufen ist.

Der zweite Pfeil von oben weist auf die Drosselrinne. Sie ist hier gut zu sehen. Das heißt, dass der Kopf-Arm-Muskel (M. brachiocephalicus) nicht stark entwickelt ist. Das wollen wir auch nicht. Denn wenn er entwickelt ist, spricht man vom sogenannten Unterhals. Diese Pferde haben dann Anlehnungsprobleme, gehen gegen die Hand, legen sich auf das Gebiss, verschwinden mit der Nase hinter der Senkrechten oder heben sich mit massivem Druck immer wieder heraus.

Der dritte Pfeil von oben weißt auf den Halsteil des gesägten Muskels (M. serratus ventralis). Wenn man vor dem Schulterblatt eine tiefe Delle sieht, dann ist dieser Muskel wenig entwickelt. Die Pferde haben nicht gelernt, den Hals fallen zu lassen, beherrschen kein Zügel aus der Hand kauen lassen, nehmen das Gebiss nicht an, haben ein nur wenig aktives Hinterbein, geben den Rücken nicht her, sind triebig oder eilig.

Der unterste Pfeil bezieht sich auf den dreiköpfigen Armmuskel (M. triceps). Der Triceps sollte gut entwickelt sein, denn das Pferd braucht nicht nur Kraft in der Hinterhand, sondern auch Kraft in der Vorhand. So kann es die Vorhand heben und diese entlasten. Ein Pferd, was auf der Vorhand läuft, wird irgendwann krank.

 

Die Hinterhand:

Das Pferd hat eine runde Hinterhand und wichtige Muskeln, die nämlich für die Schub- und Tragkraft derselben notwendig sind, sind gut ausgebildet.

Der oberste Pfeil (links) weist auf die Hüftpartie. Diese ist hier im Linksgalopp gut gesenkt. Das bedeutet, das Pferd hat keine Probleme im Bereich des Beckens wie beispielsweise einen Beckenschiefstand, eine Rotation oder ähnliches. Das Senken-können diese Partie ist aber auch wichtig, damit das Pferd weit unter den Schwerpunkt springen kann. Dazu braucht es zusätzliche Muskelkraft. Da ist zum einen der mittlere Kruppenmuskel (M. gluteus medius). Der befindet sich beim rechten Teil des Pfeils und sieht aus wie eine Zunge. Er sollte gut entwickelt sein, denn er zeigt sich unter anderem in einer runden Kruppe. Wenn man ihn mit dem Finger antippt, sollte er Wackeln wie ein Pudding.  Ist dieser Muskel beispielsweise verspannt, hart oder schmerzhaft, dann weiß man, dass das Pferd auch im Rücken seine Probleme hat. Ab einem gewissen Verspannungsgrad kann er sogar einen Beckenschiefstand hervorrufen. So viel Kraft hat dieser Muskel.

Der mittlere Pfeil weist in Richtung des zweiköpfigen Oberschenkelmuskels (M. bicerps femoris). Dieser Muskel ist unter anderem ausgesprochen wichtig für die Kraft aus der Hinterhand. Ist dieser Muskel zu schwach, dann springt das Pferd im Galopp nicht gut durch, zweigt wenig Aufwärtstendenz und hat auch keine Kraft für versammelnde Lektionen.

Der unterste Pfeil zeigt auf den halbsehnigen Muskel (M. semitendinosus). Dieser Muskel gibt die schöne runde Hinterhand, die man sich bei seinem Pferd wünscht. Ist der Po rund und auf dem Rücken keine Wellen und Dellen zu erkennen, ist im Allgemeinen alles richtig gelaufen beim Reiten und Ausbilden. Dieser Muskel unterstützt daneben auch den Schub aus der Hinterhand und die Kraftentwicklung für versammelnde Lektionen.

 

Wenn man seine Auge schult, kann man mit der Zeit immer mehr erkennen und irgendwann hat man es so weit perfektioniert, dass man dem Pferd auf der Weide beim Grasen schon ansehen kann, dass alles richtig oder auch falsch gelaufen ist….

 

Wir freuen uns, wenn Ihr uns Fotos Eurer Pferde an info@los-gelassen.com schickt. Gerne schauen wir uns die Bilder an und machen eine kurze Analyse von dem, was wir sehen und überlegen, was der Hintergrund für eine bestimmte Situation ist. Diese Fotos stellen wir dann auf los-gelassen, Facebook und Instagram mit Infos ein. Das machen wir natürlich anonym.
Wer dann passend zum Bild einen Trainingsplan oder Aufbautraining haben möchte, kann gerne einen Termin für eine Telefonberatung vereinbaren.

 

 

3 Antworten

  1. Bin Neueinsteigerin beim Reiten und habe großen Rezept vor Pferde und möchte natürlich so viel wie möglich über Pferde wissen. Danke für den informativen Beitrag.

    Lg Mona

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