Wenn das so einfach wäre…. In vielen Fällen ist es möglich, einem falsch gerittenen Pferd, dass vielleicht über Jahre Fehlbemuskelungen aufgebaut hat zu helfen, sich durch richtiges Reiten wieder loszulassen und durch den Körper zu schwingen. Das ist allerdings ein weiter Weg und man hat ab einem gewissen Grad an gesundheitlichen Problemen wie beispielsweise Kissing Spines keinen Spielraum mehr für Fehler. Ist eine Wirbelsäule einmal irreparable geschädigt und dauerhaft verspannt, kann die Schädigung schnell weiter fortschreiten und sich der Befund so verschlechtern.
Fehler zu vermeiden oder diese zu erkennen ist nicht immer einfach. Unsere Pferde sind durch die Zucht heute sehr gutmütig und vielfach so rittig, dass der Reiter nicht immer sofort erkennt, dass der eingeschlagene Weg nicht richtig war. Zumal man auch nicht immer erahnt, dass eine gut verkaufte Methode dem Pferd vielleicht mehr schadet als sie nutzt. Aus diesem Grund ist es wichtig zu wissen, was richtig und was falsch ist. Leider sind die Meinungen über richtig und falsch heute so unterschiedlich, so dass man bei manch einer Aussage und Überzeugung fast verzweifeln könnte. Vor allem dann, wenn man sieht, wie viele Reiter mit ihren Pferden dem dann ahnungslos Glauben schenken. Ist das Pferd dann erst einmal krank, wird es schnell eng….
Wenn man jedoch das notwendige Wissen über Biomechanik und funktionelle Anatomie hat, wird es schnell einfach, die Qualität einer Methode einzuschätzen. Das ist kein Hexenwerk, aber doch sehr zeitaufwendig und bedarf neben dem theoretischen Wissen auch noch den fachlichen – sprich reiterlichen – Hintergrund. Die Zahl der wirklichen Fachleuten wird seit Jahren immer weniger, so ist man vielfach auf sich gestellt und probiert immer wieder etwas aus und hofft, dass es richtig ist….
Bleibt das Pferd gesund, dann war es richtig. Erleidet es im Laufe seines Reitpferdelebens Schäden am Bewegungsapparat dann war das, was man gemacht hat FALSCH. So einfach ist das LEIDER….
Um Richtig und Falsch zu unterscheiden, ist es am besten eine Methode unter dem Gesichtspunkt der funktionellen Anatomie zu betrachten:
- Arbeiten alle Muskeln richtig, sprich unverspannt?
- Werden Gelenke, Sehnen, Bänder,Muskeln richtig belastet oder fehlbelastet?
- Fühlt sich das Pferd dabei wohl oder ist es unsicher, triebig, faul, hektisch oder auch widersetzlich?
- Schnaubt es beim Reiten regelmässig ab?
- Schlägt es häufig mit dem Schweif oder pendelt dieser entspannt hin und her?
- Wie erscheint das Auge des Pferdes? Zufrieden oder eher gestresst?
- Wie ist die Schweissbildung? Schwitzt es hauptsächlich und nur am Hals oder vermehrt an den Flanken und zwischen den Hinterbeinen?
- Wie ist die Atmung? Ruhig oder scheint das Pferd die Nüstern stark aufzublähen und schwer zu atmen?
- Reagiert es auf gefühlvolle und feinste Hilfen oder muss man ständig treiben, kommen die halben Paraden durch?
- Verweigert es am Sprung? Ist es im Parcours gut regulierbar?
Die Antworten auf diese und weitere Fragen geben immer Aufschluss, ob der eingeschlagene Weg der richtige war und ist. Wann immer ein Pferd sich zum Nachteil verändert, unzufrieden, widersetzlich, hektisch, abweisend oder faul erscheint, sind das Hinweise, dass irgend etwas nicht simmt. Ein grosser Fehler ist es dann, das als Lappalie abzutun.
Pferde reagieren auf das, was wir tun. Sie machen nichts, um uns zu ärgern. Das können sie nicht, da sie zu so komplexen Denkvorgängen nicht in der Lage sind. Pferde haben ein analoges Denkvermögen und das reicht ihnen aus, um ihr Leben zu meistern. Logische Schlussfolgerungen können sie nur bis zu einem geringen Grad erfüllen. Dazu gehören einfache Dinge wie: Das Tor ist auf, ich kann auf die Weide oder ähnliches.
Sie können durch uns, unser liebevolles, aber trotzdem konsequentes Führungsverhalten mit vielen neuen Anforderungen sehr gut umgehen, wenn wir ihr Vertrauen gewonnen haben. Sie können auch eine liebevolle Beziehung zu uns Menschen aufbauen, aber verschaukeln können sie uns nicht! Wenn sich Pferde nicht so verhalten, wie wir das erwarten, dann ist es unsere Aufgabe unser Handeln auf richtig und falsch zu überprüfen und nicht darüber zu philosophieren, welche Gemeinheiten das Pferd jetzt wohl wieder ausgebrütet hat…..
Hier noch ein kurzes Erklärvideo zum Thema: https://www.youtube.com/watch?v=IbDU97H5V5A
Fehler in der Ausbildung vermeiden : Was ist wichtig und was ist richtig?
Richtig von falsch zu unterscheiden ist wichtig und es gibt bestimmte Punkte, die Hinweise geben können, ob die angewandte Methode Pferdegerecht und damit gesunderhaltend ist oder nicht. Der Ausbildungsweg sollte
die Funktionelle Anatomie als Grundlage haben
Der Weg, den man bei der Ausbildung seines Pferdes einschlägt, sollte immer auf der Basis biomechanischer Zusammenhänge erfolgen und die Arbeitsweise des Pferdekörpers und seiner Muskeln berücksichtigen. Dabei sollen die Muskeln unverspannt arbeiten können, das Pferd muss sich loslassen und der Rücken dadurch zum Schwingen kommen. Das Pferd sollte zufrieden auf seinem Gebiss kauen, immer wieder abschnauben. Der Schweif sollte ruhig hin- und herpendeln und nicht nachhaltig unruhig schlagen. Das Pferd sollte sich nicht verspannen (müssen).
die Ausbildung sollte systematisch aufgebaut sein
Die Methode sollte sich vom Leichten zum Schweren aufbauen und dabei alle Punkte der Skala der Ausbildung berücksichtigen. Denn nur damit ist der korrekte Muskelaufbau und der richtige Weg mit den richtigen Lektionen und der rechten Zeit sichergestellt.
der Schub sollte aus der Hinterhand kommen
Das Pferd ist ein Fortbewegungsmittel mit Heckantrieb. Das heißt der Schub kommt aus der Hinterhand. Damit alle Muskeln richtig durchblutet, mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden können, sollte das Training / Reiten immer so aufgebaut sein, dass das Pferd auch mal richtig zulegen kann. Dazu sollte wiederum eine konstante und gefühlvolle Anlehnung sichergestellt sein. Darüber wachsen Muskeln an den richtigen Stellen. Das Pferd fühlt sich wohl. Das gilt für alle Rassen und alle Pferde gleichermaßen.
die konstante und gefühlvolle Anlehnung zum Ziel haben
Die Verbindung von der Hinterhand über den Rücken zum Pferdemaul sollte sichergestellt sein
Dadurch kann das Pferd das Gebiss annehmen und die Halben Paraden durchlassen. Mit dem Thema Anlehnung kommt man zwangsläufig zu dem Thema Reiten mit oder ohne Gebiss. Internationale Wissenschaftlervereinigungen (Science International) haben über viele Jahre durch mehrere Langzeitstudien festgestellt, dass das Reiten mit Gebiss eine gute Sache ist (wenn es dem Pferd passt). Damit sich das Pferd mit dem Gebiss wohlfühlen kann und sich nicht verspannt, sollte der Reiter einen weitestgehend korrekten Sitz, eine vom Sitz unabhängig ruhige Hand haben, gefühlvoll einwirken können und die so wichtigen Halben Paraden nicht vergessen.
Rippengeschmeidigkeit und Rippenbiegung verbessern
Rippengeschmeidigkeit beim jungen Pferd und eine verbesserte Rippenbiegung beim weiter gerittenen Pferd zu erreichen sind Grundvoraussetzung dafür, dass das Pferd elastisch bleibt und gerade gerichtet werden kann. Nur so ist es im Zuge der Ausbildung irgendwann auf beiden Händen „gleich gut“. Im Ergebnis ist das Pferd dann im Laufe der Jahre geradegerichtet. Das ist allerdings ein Prozess, der niemals aufhört und woran man immer arbeiten sollte. Egal auf welchem Ausbildungsniveau.
den Halben Paraden eine zentrale Bedeutung geben
In den überlieferten Grundsätzen der Ausbildung heißt es: Die halbe Parade erfolgt am äußeren Zügel verbunden mit der richtigen Körperspannung, wird alle zwei bis drei Schritte, Tritte und Sprünge gegeben und endet mit einem gefühlvollen Nachgeben der inneren Hand. Die Halben Paraden dienen der Genickkontrolle, Hinterhandkontrolle und werden bei allen Handwechseln vor- und nachbereitend eingesetzt. Sie sind notwendig für die Tempokontrolle und wichtig bei allen versammelnden und verstärkenden Lektionen.
Auch diese sollten in einer Reitweise nicht nur Erwähnung finden, sondern einen hohen Stellenwert haben. Das heisst, der Ausbilder/Reitlehrer sollte sie während des Unterrichts konsequent erwähnen und auch erklären können.
wiederholtes Zügel aus der Hand kauen lassen immer in jedes Training einbindet
Zügel aus der Hand kauen lassen ist die Übung schlechthin. Es führt – richtig ausgeführt – immer zur Losgelassenheit des Pferdes und ist der Problemlöser in allen Lebenslagen. Zügel aus der Hand kauen lassen sollte mit als erstes von Reiter und Pferd gelernt werden.
die Tragkraft aus der Schubkraft entwickeln
Versammelnde Lektionen erst dann geritten werden, wenn das Pferd die notwendige Kraft hat und geradegerichtet ist. Das geht nicht innerhalb eines Jahres. Um ein Pferd versammeln zu können, braucht es zum einen Kraft in der Hinterhand und zum anderen muss es diese Last auch aufnehmen können. Das heisst, das Pferd muss die Hinterhandgelenke beugen können. Wenn man einmal nur daran denkt, wie lange es dauert bis ein Pferd korrekt ücktwärtsrichten kann, ohne auszuweichen und ohne die Kruppe hochzuziehen oder hinten breit zu treten, dann weiss man, wie schwer das für das Pferd ist. Mit diesem Wissen schaue man sich manch ein weiter ausgebildet Pferd einmal in einer Prüfung an und warte auf das Rückwärtsrichten. Man wird sich wundern, wie wenige Pferde das wirklich perfekt beherrschen – selbst auf S-Niveau nicht….
eine gefühlvolle Einwirkung zum Ziel haben
Das heißt, dass Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen richtig zusammenwirken sollten und zwar genau in der Form, denn nur dann kann eine Einwirkung gefühlvoll oder wie man es heute nennt FEIN sein. Um das erreichen zu können ist wiederum der korrekte Sitz unverzichtbar.
Losgelassenheit und Durchlässigkeit des Pferdes erreichen
Die Losgelassenheit steht am Anfang und sie ist das Ergebnis von korrektem Reiten und Ausbilden. Ein losgelassenes Pferd erkennt man am zufriedenen Kauen auf dem Gebiss, am wiederkehrenden Abschnauben unter dem Reiter, an einem ruhig pendelnden Schweif. Wenn das Pferd losgelassen ist, dann ist es durchlässig und kann die Hilfen von hinten nach vorne und von nach hinten durch seinen Körper durchlassen ohne zu blockieren oder widersetzlich zu werden.
Ein aufgesperrtes Maul, eine gegen die Hand-gehen, Herausheben, “Verkriechen” etc. stehen immer für Verspannungen. Der Schweif ist die Verlängerung des Rückens, wenn Pferde pausenlos mit dem Schweif schlagen, steht auch das für Verspannungen und Unwohlsein. Nur darüber kann das Pferd das im ersten Schritt zum Ausdruck bringen.
die Muskulatur als Spiegel der Ausbildung sehen
Das Pferd sollte mit der angewendeten Methode im Ergebnis richtig und gut bemuskelt sein. Keine Ecken und Kanten sollten zu sehen sein. Der viel zitierte Hals ist dabei nur ein Kriterium, denn die Ausprägung des Halses muss in der Relation zum Rest des Pferdekörpers passen. Auch ist es wichtig zu erkennen, wie der Hals bemuskelt ist. Ein massiger Aufbau in der Mitte ist nicht das Kriterium für das richtig gerittene Pferd. Es zeigt vielmehr ganz deutlich die Fehler in der Ausbildung.
Obwohl der gekörte Deckhengst einen gewaltigen Hals hat, ist deutlich zu erkennen, dass die Ausbildung über Jahre in die falsche Richtung gegangen ist. Das Pferd hat einen schlecht bemuskelten Rücken, eine wenig bemuskelte Hinterhand und der Rücken ist hinter dem Sattel stark abgesunken. Auch passt der massige Hals nicht zum Rest des Pferdes…
Lektionen und Bahnfiguren beinhalten
Lektionen und das richtige Reiten von Bahnfiguren ist in jedem Dressurunterricht wichtig. Der Reitlehrer/Ausbilder sollte sie nicht nur erklären können, sondern genau wissen, wann welcher Muskel wie belastet wird und welches Ziel man mit welcher Lektion erreichen kann. Lektionen dienen nicht dem Selbstzweck. Sie sind ein Weg zur Losgelassenheit und zur Rippengeschmneidigkeit!
Woran erkennt man Fehler in der Ausbildung?
Wird ein fehlerhafter Sitz – wie hier demonstriert – nicht korrigiert, ist der eingeschlagene Weg FALSCH. Sitz- und Einwirkungsfehler führen mit der Zeit immer zu Problemen und schaden der Gesundheit des Pferdes.
Fehler in der Ausbildung: Falsch ist der eingeschlagene Weg immer dann
- Wenn der Ausbilder vermittelt, dass Reiten und Ausbilden mal eben so erlernt werden können.
- Wenn der korrekte Sitz nicht erstrebenswert scheint bzw. beim Unterricht nicht darauf eingegangen wird und Sitzfehler nicht korrigiert werden.
- Wenn das Zusammenwirken der Hilfen nicht notwendig erscheint. Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen nicht auf einander abgestimmt sind.
- Wenn das Heranschließen der Hinterhand nicht von Bedeutung erscheint. Nur ein Pferd mit einem aktiv abfußenden Hinterbein hat einen schwingenden Rücken, kann das Gebiss annehmen und der Reiter eine gefühlvolle Anlehnung erreichen. Nur wenn das gegeben ist, dann kann der Reiter das Hinterbein heranschließen.
- Wenn keine Verbindung zum Pferdemaul notwendig ist.
Die konstante, federnde und gefühlvolle Anlehnung ist unverzichtbar, wenn das Pferd von hinten nach vorne und von vorne nach Hinten durch den Körper schwingen soll. Dieses Durch-den-Körper-schwingen ist wichtig, damit Muskeln unverspannt arbeiten können. Dadurch wachsen sie dann auch an den richtigen Stellen.. - Wenn eine Methode das Pferd abrichtet.
Wenn ein Pferd auf Laute statt auf Hilfen reagiert, wird es zwar eine Übung oder Lektion durchführen, aber ohne das Zusammenwirken von Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen wird es das nicht richtig – im Sinne einer gesunderhaltende Ausbildung – können. Das führt zu Verspannungen und irgendwann zu Schäden.
Ausnahme Bodenarbeit
Bodenarbeit ist keine Reitmethode, sondern eine Maßnahme, um Vertrauen zwischen Reiter und Pferd zu schaffen und ggf. Dominanzprobleme zu lösen. Ist die Rangordnung zwischen Mensch und Pferd geklärt und herrscht zwischen beiden ein vertrauensvolles Miteinander, dann wirkt sich das auch positiv auf das Reiten und Ausbilden aus. Ausbilden im Sinne einer reiterlichen Ausbildung kann man ein Pferd damit NICHT!
Egal welchen Ausbildungsweg man wählen mag, die Gesundheit des Pferdes zeigt uns, ob es richtig ist oder war. Bleibt es bis in ein hohes Alter gesund oder kommt es zu frühzeitigen Verschleißerscheinungen, Rückenproblemen, Sehnenschäden, seelischen Schäden etc.
Das Auge unserer Pferde sagt uns schnell, was wir richtig oder falsch gemacht haben. Wirkt es ruhig und entspannt oder sieht es sorgenvoll oder ängstlich aus. Nicht umsonst heißt es in einem japanischen Sprichwort: Das Auge ist der Spiegel der Seele….