Die Geschichte eines Pferd
In der Zwischenzeit habe ich Bamboo mit einigen Pausen ungefähr 20x geritten. Bis vor ein paar Tagen, war das alles sehr mühsam. Er klemmte, eine korrekte Anlehnung mit der Nase an der Senkrechten und ausreichend Dehnungshaltung war nicht zu erreiten, da er immer wieder in alte Muster verfiel und mit der „neuen Reitweise“ noch immer hoffnungslos überfordert schien. Immerhin ist das Steigen nicht mehr vorgekommen und er scheint in kleinen Schritten zu entspannen. Zwar schnaubt er schon ab, aber abkauen tut er nicht. Auch nimmt er die Halben Paraden noch nicht an und es fällt ihm äußerst schwer, an den äußeren Zügel heranzutreten. Gibt man innen nach, fällt das arme Pferd komplett nach außen….
Einfache Lektionen fallen ihm genau wie Übergänge und schon das Antraben noch sehr schwer: Normalerweise reitet man Mittelschritt am langen Zügel, nimmt die Zügel etwas auf, gibt zur Vorbereitung ein bis zwei halbe Paraden, legt die Schenkel an und gibt dem Impuls zum Antraben – ganz wie man es gelernt hat. Dabei erfolgt noch eine weitere Halbe Parade und im Antraben gibt man gefühlvoll Innen nach, so dass inneres Hinterbein und innere Schulter nicht am Vortritt behindert werden. Mit dem sich daraus entwickelnden Schwung aus der herangeschlossenen Hinterhand nimmt das Pferd das Gebiss an, stößt sich davon ab und die Nase befindet sich bei korrekter Anlehnung an der Senkrechten. Soweit die Theorie….
Bamboo war in den letzten Wochen eher wie ein alter Diesel, denn erst einmal kam kaum eine Reaktion. Alte Diesel müssen Vorglühen und irgendwann laufen sie dann. Leider arbeitete Bamboos Körper nicht nur beim Antraben wie ein Diesel, sondern leider auch im Schritt und beim Angaloppieren. Am allerschlimmsten gestaltet sich aber das Rückwärtsrichten. Was immer in den vergangenen Jahren gelernt hat, korrekte Hilfen kennt er offensichtlich nicht. Er schleicht schief und wankend rückwärts. Sowie er auch nur ein Last aufnehmen müsste und sich nicht mehr in seine alte Zwangshaltung begeben kann, weiß er nicht, was er machen soll.
Erst vorgestern saß ich einmal mehr ratlos oben drauf und habe überlegt, was zu tun ist, wenn Pferde das Gebiss nicht annehmen, nicht mit dem Hinterbein durchtreten und mit Schritt am langen Zügel schon vollkommen überfordert sind. Ich ritt auf dem Zirkel auf der rechten Hand und versuchte ihn irgendwie an den äußeren Zügel heranzureiten mit dem inneren Schenkel zu treiben, Halbe Parade außen, innen nachgeben und dann sollte sich ein Pferd – ohne dass man Innen ziehen muss – an sich auf die gebogene Linie einstellen lassen, ohne wie ein Kamel nach außen gestellt durch die Wendung zu stolpern.
Da leider ersteres einmal mehr nicht funktionierte, dafür das Stolpern umso besser klappte, habe ich gedacht: Was willst Du hier Traben und Galoppieren, wenn er noch nicht einmal in der Lage ist, im Schritt eine korrekte Acht zu gehen und wenn Du bei Trab und Galopp ein Pferd hast, das vollkommen aus dem Gleichgewicht durch die Bahn fällt. Dann reite lieber Schritt, übe die Acht, das Übertreten und vielleicht ein Schulterherein für ein paar Tritte, in der Hoffnung ihn noch in diesem Leben an den äußeren Zügel zu kriegen. Versuch‘ ihm erst so einmal den Weg zu zeigen…
Dabei fiel mir dann ein Rat von Herrn Stecken ein: „Wenn es einmal ganz mühsam ist mit einem Pferd, dann üben Sie im Schritt die Acht, lassen das Pferd auf der linken Hand übertreten und reiten Sie immer wieder Zügel aus der Hand kauen lassen. Irgendwann geben die Pferde nach!“ Und dann meinte er immer: Alle Pferde gehen gerne richtig und wenn ein Pferd das einmal verstanden hat, dann wird es das gerne tun. Sie müssen einfach nur bei einem Pferd, das keine richtigen Grundlagen kennt noch mehr Geduld haben als bei einem Pferd, das es richtig gelernt hat.“
Erstes Übertreten auf der linken Hand.
So war es dann auch: Nach vielen vielen großen Achten begann Bamboo auf der linken Hand im Genick nachzugeben. Er ließ sich stellen und die Halben Paraden am äußeren Zügel kamen durch. Er gab nach und suchte die Anlehnung. Das erste mal. Dabei schnaubte er leise ab und schien sich wohl zu fühlen. Er kaute. „Wow“, habe ich gedacht. „Da isses! ENDLICH!“ Damit hatte ich fast schon nicht mehr gerechnet. Das gleiche funktionierte dann auch beim Antraben. Auf einmal war die Nase unten. Er lief nicht mehr wie eine Giraffe über den Platz und die Gangschaltung war auf einmal auch relativ funktionsfähig.
Auf der rechten Hand ging das anfänglich jedoch weitaus schlechter. Er ist rechts hohl (nicht geradegerichtet) und weicht mit dem inneren Hinterbein nach Innen aus. Dadurch fällt er auf die äußere Schulter und nimmt automatisch eine falsche Traversstellung ein. Das konnte ich von oben deutlich spüren. Durch ein wiederholtes Schulterhereinartiges Reiten im Schritt auf dem Zirkel rechte Hand ließ sich das dann auch in kleinen Schritten etwas verbessern.
Aus dem Halten Rückwärtsrichten und daraus nach ein bis zwei Schritten Antraben half ihm dann auch auf der rechten Hand eine relativ sichere Anlehnung zu erhalten. Die Nase blieb anschließend auch im Rückwärtsrichten an der Senkrechten. Trittweise war sogar das Genick der höchste Punkt.
Nach 20 Minuten war er so erledigt, dass er einfach stehenblieb….. Aber er sah total zufrieden aus und nuckelte entspannt auf seinem Gebiss herum.
Irgendwie ist er ja nicht nur zum Knutschen, sondern auch zum Piepen. Ich denke, wenn er einmal richtig den Durchblick hat, dann wird es ein Traumpferd. Auch wenn das noch ein ganz weiter Weg ist. Er hat Zeit und was heute nicht klappt, das versuchen wir morgen einfach noch einmal….
Fortsetzung folgt…..